Mobilität neu denken – für die BürgerInnen im Rhein-Pfalz-Kreis

Positionspapier der grünen Kreistagsfraktion zum Nahverkehr im Rhein-Pfalz-Kreis – 20.02.2015

1. Vorbemerkungen

Mobilität unterliegt einem enormen Wandel. Die Zunahme des Wohlstands und die Differenzierung der Gesellschaft, also der Zwang, immer größere Distanzen für soziale Beziehungen oder Arbeit zu überwinden, führten zu einer deutlichen Zunahme von Mobilität. Auch wenn zwischenzeitlich zahlreiche Mobilitätsplanungen nicht nur auf das Auto ausgerichtet sind und der öffentliche Nahverkehr seinen festen Platz darin hat, ist das Auto nach wie vor für die allermeisten BürgerInnen das bevorzugte Verkehrsmittel. Hier gilt es anzusetzen.

Vor dem Hintergrund wachsender Umwelt- und Klimabelastung, durch die von motorisiertem Verkehr verursachten enormen Beeinträchtigungen der Gesundheit und der Lebensqualität, sowie durch das zunehmende Bedürfnis nach Mobilität, muss es aber Ziel von Mobilitätspolitik sein, eine hohe Mobilität zu gewährleisten bei gleichzeitiger Stärkung des Umweltverbundes. Der Umweltverbund bezeichnet dabei umweltverträgliche Verkehrsmittel, insb. das zu Fuß gehen, Rad fahren, den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sowie Car-Sharing. Ziel moderner und Grüner Mobilitäts- und Verkehrspolitik ist es, den Anteil dieser Verkehrsmittel im modal-split, also die Verteilung des Verkehrsaufkommens auf verschiedene Verkehrsmittel, zu erhöhen.

Eine integrierte Planung zusammen mit einem hochwertigen öffentlichen Verkehrsangebot stellt für Bündnis 90/Die Grünen eine zentrale Voraussetzung dar, um Menschen den Umstieg auf den ÖPNV zu erleichtern. Wir möchten dies hier präzisieren, um dann auf Details in der Linienplanung einzugehen und mit Wünschen an die Organisation und Beteiligung der BürgerInnen an der Mobilitätsplanung zu schließen.

Die hier genannten Aspekte sollen als konkrete Verbesserungsvorschläge sowie Ziele und Visionen in die Erstellung des Nahverkehrsplans (NVP) einfließen. Wir glauben, dass es den bisherigen NVP an Visionen fehlte – es geht nicht nur um eine reine Abarbeitung von Prioritäten, sondern vielmehr um die Frage, wie Mobilität zukünftig gestaltet werden muss, um Menschen den Umstieg auf den ÖPNV zu ermöglichen. An dieser Vision orientieren sich auch konkrete Ziele.

2. Prinzipien der Mobilität im Kreis

Ein hochwertiger und integrierter ÖPNV ist wichtigste Voraussetzung, um Mobilitätsverhalten zu ändern. Nur, und nur dann, wenn die Kommunen ein vernünftiges Angebot zur Verfügung stellen, können Menschen für den Umstieg auf Bus und Bahn begeistert werden. Das kann im Einzelfall auch mit höheren Kosten verbunden sein.

Kundenfreundlichkeit

Zentrales Prinzip muss die Kundenfreundlichkeit sein. Wir verstehen darunter die absolute Orientierung an den Bedürfnissen der Kunden. Wir sehen hier enorme Defizite bei der Berücksichtigung der verschiedenen Zielgruppen, eine Verkennung des geänderten NutzerInnenverhaltens und eine Rückständigkeit bei der notwendigen Umsetzung.

Folgende Punkte müssen mindestens erfüllt sein:

  • Digitale Erneuerung: Überarbeitung der Handy-Apps (VRN, RNV) zu einem App, das alle Funktionen umfasst und ausgebaut wird; Bargeldloses Bezahlen in Bus und Bahn
  • Fahrgastinformationen: Umfassende Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit der Echtzeitanzeigen an Haltestellen, insb. den Knotenpunkten, unter Berücksichtigung von Sehbehinderten Menschen; Durchsagen in Bussen zu Anschlüssen, Verspätungen und zur Haltestellenbeschaffenheit
  • Einbezug von gehbehinderten und alten Menschen: Barrierefreiheit in Fahrzeuge sowie an Haltestellen flächendeckend und zeitnah; längere Zusteigezeiten einplanen
  • Verbesserung und Einbezug der umliegenden baulichen Situation bei der Einrichtung von Haltestellen, inbs. Fußgängerquerungen, Ausleuchtung von Haltestellen, Auszeichnung der Haltestellen
  • Verbesserung der Ruftaxi-Haltestellen: Umfassendere Informationen über die Art und Weise wie Ruftaxiverkehr funktioniert; bessere Auszeichnung der Haltestellen; identische Haltestellen zum Busverkehr, um Irritationen zu vermeiden
  • Haltestellen müssen auch in den späten Abend- und Nachtstunden noch ausreichend bedient werden
  • Zuverlässigkeit: Pünktlichkeit auf allen Linien und zu jeder Zeit immer. Nur durch das Erfahren der Zuverlässigkeit wird ÖPNV attraktiv
  • Viele Unternehmen, ein Service: Anschlüsse müssen funktionieren, es darf nicht mehr zu wegfahrenden Bussen oder Bahnen kommen; Die Kommunikation zwischen den Verkehrsträgern (und unterschiedlichen Verkehrsunternehmen) muss verbessert werden.
  • Der direkte Kontakt zum Kunden muss ausgebaut werden: Die Einführung direkter Anlaufpunkte vor Ort im Sinne von Mobilitätszentralen im Kreisgebiet ist daher unausweichlich. Sie sollen als Beschwerdestelle und als Beratungsangebot in Sachen integrierter Mobilität für die Bürger dienen.

ÖPNV muss eine echte Alternative zu anderen Verkehrsmitteln sein

Verkehrsströme mit MIV müssen abgefangen werden und ÖPNV muss eine echte Alternative zu diesem sein. Es muss also bei der Planung von einzelnen Linien ein viel größerer Schwerpunkt auf das Potential gelegt werden, Menschen vom Motorisierten Individualverkehr zu bewegen auf den ÖPNV umzusteigen. Das Angebot soll sich somit vermehrt an der potentiellen Nachfrage orientieren. Müssen hierfür die Verkehrsströme nach ihren Ursachen hin feinmaschig untersucht werden, sollte dies umgehend in Auftrag gegeben werden. Denn nur wenn wir die Ursachen kennen, können wir den ÖPNV vernünftig darauf abstimmen.

Knotenpunkte nutzen

Zentraler Aspekt von integrierter Mobilität ist eine Vernetzung von Verkehrsträgern. Diese kann unserer Meinung nach nur an wenigen Schnittstellen sinnvoll erfolgen. Konkret sind hier u.a. die SBahnhöfe in Limburgerhof, Schifferstadt, Böhl-Iggelheim, Bobenheim-Roxheim und Berghausen/Heiligenstein, die RHB-Bahnhöfe Maxdorf und Fußgönnheim sowie die Busknoten in Lambsheim und Dannstadt zu nennen. Bei begrenzten Mitteln halten wir es für sinnvoll, eine Konzentration der Investitionen auf wenige Schnittstellen bzw. Knotenpunkte im Kreis vorzunehmen, die sich nach dem Umstiegsverhalten der Fahrgäste richten.

  • Eine Gewichtung der Knotenpunkte muss anhand ihrer Wichtigkeit im Netz erfolgen
  • eine Reduzierung der Schnittstellen soll angestrebt werden. Hier ist die Anbindung an den schienengebundenen Verkehr prioritär
  • die Knotenpunkte müssen deutlich besser vernetzt werden
  • Der Umstieg auf andere Verkehrsmittel soll besser getaktet und überhaupt ermöglicht werden,
  • Eine bessere Infrastruktur muss bereitgestellt werden (Informationsangebote, Wartehäuschen, …)

Integrierte Mobilität

Nur integrierte Mobilität ist attraktiv, vor allen in einem Flächenkreis. Von Vernetzung und Verknüpfung lebt auch der Umweltverbund, der erst dadurch seine Stärken entwickelt. Ohne Vernetzung wird auch der ÖPNV nicht attraktiv werden. Wir halten Folgendes daher für unabdingbar:

  • Umstiegmöglichkeiten von ÖPNV auf Car-Sharing, Fahrrad, Fußverkehr: Entsprechende Gespräche müssen mit dem VRN zur Einführung von öffentlichen Fahrrädern/Pedelec sowie mit Stadtmobil Rhein-Neckar und der Bahn zur Einführung von Carsharing Angeboten im Kreis und insb. an Knotenpunkten geführt werden; Hinweisschilder an Haltestellen für Fahrradfahrer und Fußgänger müssen flächendeckend wichtige Points of Interest abdecken; Fahrradinfrastruktur (Wege von und zu Haltestellen, Fahrradständer, Hinweissschilder) müssen ausgebaut werden. Insbesondere Fahrradständer müssen besser gegen Diebstahl gesichert werden, um Vertrauen zu schaffen. Denkbar wären hier Fahrradparkhäuser, die kostendeckend betrieben werden.
  • Ausbau von attraktiven Park&Ride Möglichkeiten, orientiert an entsprechenden Pendler- und Umstiegspunkten
  • Ausbau der Infrastruktur für E-Mobilität (Ladestationen, Parkplätze) in Zusammenarbeit mit entsprechenden Projektpartnern

Verknüpfungen der Buslinien mit den S-Bahnhöfen

Nach wie vor fehlen Verknüpfungen einiger Buslinien mit den S-Bahnhöfen im Kreis. Der Rhein-PfalzKreis, im Zentrum der Metropolregion gelegen, profitiert von einem gut getaktetem S-Bahn Netz quer durch den Landkreis wie kein Anderer. Mitten im Kreisgebiet der Hauptbahnhof Schifferstadt als ein hochfrequentierter Aus- und Umsteigepunkt – allerdings ohne jeden Buszubringerverkehr. Das darf so nicht sein. Es muss zentrale Aufgabe des Busverkehrs im Kreis sein, die Fahrgäste von Orten ohne Bahnhof, schnell an die S-Bahn heranzuführen, sodass auch diese davon profitieren.

Hierzu sehen wir das Modell der Ringlinie, mit Bussen in beide Richtungen, als zukunftsweisend. Dadurch können eine durchgehende Anbindung aller Gemeinden in S-Bahn Nähe an diese angebunden werden. Eine entsprechende Planung (eine Linie Schifferstadt – DannstadtSchauernheim – Mutterstadt – Limburgerhof – Neuhofen – Waldsee – Schifferstadt und in Gegenrichtung) muss die Linienführung und Taktung klären. Für solch eine Linie wäre, neben den oben genannten Punkten, wichtig:

  • Die Umsteigezeiten von Bahn und Bus müssen mit ausreichend Umsteigezeit, aber enger Taktung, aufeinander abgestimmt sein
  • Innerörtliche Haltestellen müssen auf ein Minimum reduziert werden, um von wenigen Einstiegspunkten schnell an die S-Bahn zu gelangen
  • Den Ruftaxiverkehr innerhalb der (Verbands-)Gemeinden muss ausgebaut und auf die Zubringerbusse zur S-Bahn abgestimmt werden
  • Es muss geprüft werden, inwieweit das Angebot von Bürgerbussen ausgeweitet werden kann, um den innerörtlichen ÖPNV zu verbessern. Bürgerbusse weisen ein nach wie vor noch nicht ausreichend genutztes Potential auf. Entsprechende Fördermöglichkeiten und Beratungsangebote des VRN in Kooperation mit dem Kreis müssen also bereitgestellt werden

3. Verbesserungen am bestehenden Netz

Aus unserer Sicht sind folgende Verbesserungen am Netz notwendig, die auch teilweise alternativ oder ergänzend zu den oben genannten Punkten stattfinden können:

  • Einführung eines Sozialtickets, um nicht Einige von Mobilität auszugrenzen.
  • Umstieg in Rheingönnheim von der Straßenbahn auf den Bus in Richtung Altip und umgekehrt muss besser getaktet werden, um ein Umsteigen zu ermöglichen und sodass bei Verspätungen die jeweils anderen Verkehrsmittel nicht abfahren
  • Kapazität des ÖPNV in Richtung Mannheim von Altrip über die Fähre erhöhen: Kleinbuslinie mit ca. 25 Plätzen (1. Umsetzung des Vorschlags eines Zusammenschluss der Altriper Linie 98 mit der Mannheimer Linie 62, 2. als Fahrzeug ein barrierefreier, fährtauglicher Kleinbuss mit ca. 25 Plätzen, 3. Taktung der Kleinbuslinie, 4. Ergänzung durch Ruftaxiverkehr in den Abendstunden und am Wochenende)
  • Ruftaxi von Altrip bis zum S-Bahnhof Rheingönheim unter Beibehaltung der Anschlüsse an der RNV-Haltestelle Rheingönheim-Endstelle und mit Orientierung an den Fahrplänen
  • Verbindung innerhalb der neuen Verbandsgemeinde Waldsee durch Ruf-Taxi Verkehr auf Probe
  • Einrichtung eines Linienbusverkehrs von Maxdorf über Fußgönnheim nach SchifferstadtBahnhof mit einer engen Taktung (besser als die der Ruftaxis) abgestimmt auf die RheinHardt-Bahn und S-Bahn
  • Zur Entlastung der Straßen durch den Abriss der Hochstraße sollte der Ausbau des Nahverkehrs und die Verbesserung der Taktung der Linien 4 (RHB; mind. 15minütig), 581 und 582 (Ringlinie LU-Neu-Lim-Mut-LU und Gegenrichtung; mind. 15minütig), 571 (mind. 20minütig), 584 (Schnellbus; mind. 20minütig) angegangen werden.

4. Prozess der Verkehrsplanung

Die Qualität zukünftiger Mobilität hängt auch davon ab, wer an der Planung wie beteiligt ist. Wir halten deshalb folgende Aspekte insb. für die Erstellung des Nahverkehrsplans für notwendig:

  • Eine umfassende Beteiligung der Kreisgremien bei der Auswahl der Gutachter für die Nahverkehrsplanung. Die Auswahl muss sich verstärkt an der Fähigkeit des Gutachters orientieren, nachhaltig (aus sozialen, ökologischen und selbstverständlich wirtschaftlichen Gesichtspunkten) und visionär zu planen.
  • Fachliche Kompetenz sollte nach unserer Auffassung auch dazu führen, dass man der Politik konzeptionelle Anregungen gibt. Dazu gehört auch das Aufzeigen von Alternativen sowie Visionen und nicht nur die Erstellung einer Prioritätenliste. Das kann darin resultieren, den Plan nicht einfach nur Weiterzuführen, sondern evtl. eine umfassende Neuentwicklung des Plans anzustreben
  • Eine regelmäßige Beteiligung und Information der politischen Gremien im gesamten Prozess, sowohl im Kreis als auch den Gemeinden, durch den Gutachter direkt und durch die Verwaltung. Es muss die Option bestehen, vor Beendigung des Prozesses mehrfach Gespräche zu führen, Fragen zu äußern und schriftliche Stellungnahmen abzugeben.
  • Durchführung einer BürgerInnenbeteiligung durch Regionalkonferenzen (beispielsweise Nord, Mitte, Süd), um so die Wünsche der BürgerInnen umfassend berücksichtigen zu können
  • Enger Einbezug der umliegenden Städte, Kreise und Gemeinden zur besseren Vernetzung, aber vor allem vor dem Hintergrund der bevorstehenden enormen Herausforderungen durch den Abriss der Hochstraße-Nord. Gerade Mannheim als Reisewunsch Vieler wurde in den Planungen bisher aus unserer Sicht stark vernachlässigt.